Was das iTunes Phone „ROKR“ über künftige iPods verrät
Vorgestern enthüllte Motorola das Mobiltelefon „ROKR“, auch bekannt als sog. „iTunes Phone“. Anders als es Motorolas Analysteninformationen im März nahe legten (der Managementchannel berichtete), prägt nicht die „PEBL“-Silhouette, sondern die konventionellere SLVR-Form das Design. Die lila-grüne Farbgebung wich einem gefälligeren Silber. Die Zahl der Bedienungselemente wurde auf ein handhabbares Maß reduziert. Alles in allem trifft das ROKR den Massengeschmack deutlich besser als der Prototyp. Es bleibt jedoch ein typisches Motorola-Handy, das Design macht keinerlei Anleihen bei Apple.
Das Motorola ROKR: Ein Prototyp aus März 2005 und das im September auf den Markt gebrachte Modell im Vergleich (Quelle: Motorola)
Das auffallend Konventionelle des Designs provoziert die Frage: Hat Apple es versäumt, stärker in den Entwurf einzugreifen, oder war dies strategische Absicht? Wenn man sich Apples Besessenheit in Designfragen vor Augen hält und Apples Bestreben, in Kooperationen immer auch die eigenen Vorstellungen durchzusetzen, liegt der Schluß nahe, daß hier strategische Absicht zugrunde liegt.
Einen der möglichen Gründe, die Apple zu diesem Schritt verleitet haben könnten, diskutiert das Strategische Management unter der Bezeichnung „Substitutionsprodukte“. Man beschreibt damit den Umstand, daß die Verkaufszahlen einer Produktkategorie durch Produkte aus anderen Märkten gefährdet werden können, nämlich dann, wenn diese anderen Produkte aus Sicht des Kunden einen ähnlichen Nutzen bieten: Für die Erfrischung nach dem Sport zum Beispiel stellen in den Augen vieler Kunden „Apfelschorle“ und „(alkoholfreies) Bier“ Substitutionsprodukte für „isotonische Durstlöscher“ dar. Übertragen auf das ROKR-Handy: In den Augen vieler Kunden könnte ein Handy mit MP3-Player ein Substitutionsprodukt für einen reinen MP3-Player darstellen. Der Absatz von iPods wäre dann mittelfristig durch die Entwicklung immer besser ausgestatteter Mobiltelefone stark gefährdet.
Apple hat demnach ein Interesse daran, daß es trotz der Existenz von Multifunktionshandys auch weiterhin eine Menge Gründe gibt, zu einem iPod zu greifen. Und zu den wichtigsten Gründen zählen ohne Zweifel das Design und das positive Image, mit dem Apple die Marke iPod aufgeladen hat. Aus dieser Perspektive ist es sinnvoll, das Modell ROKR von jeglichen Anklängen an einen iPod freizuhalten. Wer „hip“ sein will, braucht (derzeit noch) das Original.
Man kann aber noch weitere Schlüsse ziehen: Weil die Bedrohung für den iPod durch Multifunktionshandys trotzdem bestehen bleibt, muß Apple außerdem den iPod so weiterentwickeln, daß er seine Berechtigung als eigenständige Produkt-Kategorie aufrecht erhält.
Dies bedeutet: Entweder wird der iPod immer kleiner, so daß das oft angeführte Argument, der Kunde wolle nur ein einziges Gerät (= multifunktionales Handy), nicht aber mehrere (Handy, MP3-Player, Fotoapparat) mit sich herumtragen, nicht mehr stichhaltig ist. Apple hat zeitgleich zur Vorstellung des ROKR den entsprechenden Zug getan und mit dem iPod nano die Kategorie des MP3-Players in eine neue funktionale Dimension geführt.
Oder aber der iPod übernimmt in seinen derzeit gewohnten Abmessungen solche Funktionen, die nicht ohne weiteres in ein Handy integriert werden können. Er entwickelt sich zum Zentrum digitaler Medien und Unterhaltung, sei es Musik, Fotos, Podcasts, Karaoke, Filme oder Fernsehen. Nahliegende Vorhersage: In diese Richtung wird sich der „große“ iPod entwickeln.